Unterricht im Multikulti-Sprachlabor

13 Mütter lernen Deutsch, während ihre Kinder in der Schule sind – Pilotprojekt von Grundschule und Caritas-Migrationsberatung läuft seit Januar

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Ein voller Erfolg ist das Konzept von "Mama lernt Deutsch", das Rita Gruber-Scheck (2. von links) und ihr Mann Christof Scheck (4. von links) entwickelt haben. Grundschul-Leiter Matthias Schmöller (3. von rechts) stellt das Klassenzimmer zur Verfügung. − Fotos: Berner

Eggenfelden. "Weil letzte Woche leider viele durch die Grippewelle verhindert waren, sprechen wir heute über das Thema Krankheiten", beginnt Rita Gruber-Scheck die Unterrichtsstunde und hält eine rote Wärmflasche in die Höhe. Während sie ihren Schülerinnen Begriffe aus diesem Wortfeld erklärt und mit dem richtigen Artikel versieht, verrät die 58-Jährige auch das ein oder andere Hausmittelchen.

Seit Januar trifft sich Rita Gruber-Scheck – von ihren Schülerinnen liebevoll "Frau Rita" genannt – zwei Mal wöchentlich mit den 13 jungen Frauen aus neun Ländern. "Mama lernt Deutsch" heißt dieses Pilotprojekt, das sie mit ihrem Mann, dem Caritas-Migrationsberater Christof Scheck, entwickelt hat.

"Ich habe vor zwei Jahren eine Ausbildung als Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache gemacht und mich von da an in Migrationskursen engagiert", erklärt die Grundschullehrerin. "Dort habe ich gemerkt, dass die Motivation der Schüler in den teils verpflichtenden Kursen sehr unterschiedlich ist". Es habe ihr Leid getan, dass die Einwanderer, die gewillt waren, die deutsche Sprache zu lernen, oft von denen ausgebremst wurden, die gezwungenermaßen teilnahmen. Außerdem seien manche Frauen in diesen Kursen untergegangen, weil sie es kulturbedingt gewöhnt seinen, sich unterzuordnen. Mamas konnten den Kurs oft gar nicht erst besuchen, weil sie die Kinderbetreuung stemmen mussten.

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Von spielerischen Unterrichtselementen profitieren die Frauen.

Auch ExkursionenTeil des Konzepts

Aus diesen Gründen entwickelten die beiden ihr eigenes Konzept: "Wir haben einen Deutschkurs ausschließlich für Frauen ausgeschrieben", berichtet Rita Gruber-Scheck. "Das Ziel dieses Kurses ist zwar, das Sprachniveau A1 zu erreichen", erklärt ihr Mann, "aber nicht nur auf dem Papier: Uns geht es um die Sprechpraxis." Ein weiteres Ziel ist es, mit den Frauen über Themen wie Schule, Erziehung, Gesundheit und die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu sprechen. Außerdem sind Exkursionen in die Bücherei, ins Rathaus und zur Migrationsberatung geplant, damit die Frauen die wichtigsten Anlaufstellen kennenlernen.

Nachdem "Frau Rita" mit ihren Schülerinnen viele Krankheits-Begriffe erarbeitet hat, bittet sie die Mamas, ihre Arbeitsheft herauszunehmen. "Ich habe euch letzte Woche eine Hausaufgabe gegeben", sagte sie, ehe jede Frau stolz die ausgefüllte Seite präsentiert. "Die Motivation ist hier sehr hoch", erklärt die Pädagogin, "alle wollen wirklich etwas lernen. Wir verstehen uns auch sehr gut und einige Frauen haben schon Freundschaften geknüpft."

Auf der Suche nach Räumlichkeiten für ihr Vorhaben fand das Ehepaar Scheck in Matthias Schmöller, Schulleiter der Grundschule Eggenfelden, einen starken Kooperationspartner. Seiner Meinung nach ist diese Lösung eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. "Besonders zu Beginn der Schulzeit ist es wichtig, dass die Kinder von ihren Eltern unterstützt werden. Das geht nur, wenn sie die Sprache auch beherrschen", meint der Pädagoge. "Ich sehe die Mütter als Schlüssel zu ihren Kindern. Wenn sie motiviert sind und sich integrieren, färbt das auf ihre Kinder ab."

Seit Januar und noch bis Mitte Juli trifft sich die Truppe immer Montags und Mittwochs von 9 bis 11.30 Uhr in der Grundschule. "Auch nach dem Kurs wollen wir die Frauen nicht sich selbst überlassen", stellt Christof Scheck klar. In der Migrationsberatung wird er ihnen bei Fragen oder bei der Jobsuche zur Seite stehen.

Außerdem plant seine Frau einen "Frauen-Stammtisch: "Schon im Unterricht schätze ich den Austausch sehr", schwärmt die Pädagogin, die notfalls auch mit Händen und Füßen unterrichtet: "Auch wenn wir alle aus verschiedenen Ländern kommen und sehr verschieden sind, gibt es viel gemeinsame Themen. Das verbindet uns."

Da der Deutschkurs für die Frauen aus Portugal, Syrien, Rumänien oder Ungarn während der Schulzeit stattfinden, müssen sich die Mütter, deren Nachwuchs den Kindergarten oder die Schule besuchen, keine Gedanken um deren Betreuung machen. "Aber auch Mütter, deren Kinder nicht betreut werden, können am Unterricht teilnehmen", erklärt der 52-jährige Migrationsberater. Weitere 13 Kiner betreuen Astrid Siegert und Sabine Vetter während des Unterrichts der Mamas ehrenamtlich.

Eine Kurs-Teilnehmerin ist die zweifache Mutter Ruke Mula aus dem Kosovo. Sie will auch deshalb Deutsch lernen, um ihre Kinder später in der Schule unterstützen zu können. "Wenn ich ein Formular bekomme, das ich nicht verstehe, bringe ich es zum Kurs mit. Frau Rita hilft mir dann", erzählt sie.

Das hat Rita Gruber-Scheck gleich zu Anfang vorgeschlagen und mittlerweile nutzen die Frauen dieses Angebot. "Wir vertrauen uns und alle helfen sich gegenseitig", freut sich die Pädagogin, die weit mehr für ihre Schülerinnen leistet, als bloße Grammatik- und Vokabelübungen. Wenn Rukes Kinder älter sind, möchte sie gerne als Kellnerin, Make-up-Artistin oder Friseurin arbeiten.

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Astrid Siegert (links) und Sabine Vetter betreuen die Kinder.

Pauken nebendem Beruf

Letzteren Beruf übt ihre Mitschülerin Ivana Krisco Dizar derzeit aus. Vor eineinhalb Jahren kam sie aus Kroatien nach Arnstorf und arbeitet inzwischen Teilzeit in einem Eggenfeldener Salon und drückt außerdem die Schulbank. "Deutsch lernen mit Frau Rita macht mir großen Spaß", erklärt sie, "Ich finde es schön, dass wir hier so herzlich aufgenommen werden und viele uns helfen, ihre Sprache zu lernen."

Nachdem die Dativ-Hausaufgabe verbessert ist, folgt ein Sprachspiel, für das sich die Frauen im Kreis aufstellen. Rita Gruber-Scheck wirft ihnen eine Ball zu und stellt dazu jeweils eine Frage. "So prägen sie sich viele Wörter besser ein und durch Spiele wie dieses lernen sie sich auch besser kennen", erklärt die Lehrerin. "Warum lernst du Deutsch?", fragt sie und wirft Ildiko Dudas den Ball zu. Die junge Frau sagt strahlend: "Ich lerne Deutsch, weil ich gerne hier lebe."

Pünktlich um 11.30 Uhr ertönt der Gong. Der Schultag der Mamas endet, doch für Ruke Mula geht es heute noch weiter, erzählt sie Kosovarin lachend: "Zu Hause geht es weiter, denn meine fünfjährige Tochter Dorelia, die hier geboren ist, zeigt mir gerne, was sie alles gelernt hat."

Julia Berner

Rottaler Anzeiger vom 23.04.18